Manuel Bieh

Freelance Developer.
TypeScript. React. Node.js

Interview: Webdesign-Trends 2012

Dieses Interview wurde in der Ausgabe 12/2011 des Webmaking Magazins veröffentlicht.

Cover: Webmaking Magazin 11/11

Was werden Ihrer Meinung nach die Trends im Webdesign 2012?

Aus den USA kamen in den letzten Wochen einige gelungene Beispiele von Websites die auf „Responsive Design“ setzen, also Webdesign, das sich an den Umgebungscontext anpasst. Durch CSS Media Queries ist es möglich eine Website auf verschiedenen Geräten (Smartphone, Tablet, Desktop, …) bei gleicher Markup in unterschiedlicher Form und Gestaltung auszugeben. Ich könnte mir vorstellen dass es 2012 auch in Deutschland erste bekannte Vorreiter geben wird wie den Boston Globe in den USA, die Responsive Design im großen Stil einsetzen. Auch Geolocation-Services, also Dienste, bei denen verstärkt auf den Standort des Website-Besuchers eingegangen wird, werden weiter an Fahrt aufnehmen.

Welche Trendprognosen sind für Sie unbedeutend/überzogen?

Sämtliche Trendprognosen die getroffen werden rein um eigene wirtschaftliche Interessen zu fördern oder um gezielt Trends auszurufen. Wenn mir der Kartoffelbauer erzählt, dass die Menschen bis 2015 die doppelte Menge an Kartoffeln essen werden, dann höre ich da in erster Linie Wunschdenken heraus. Gerade im Mobile Business überschlagen sich die Analysten mit Vorhersagen wie viele Milliarden mobile Geräte es in 2013, 2015 oder 2020 geben wird. Ich glaube jeder der im Web tätig ist braucht keine renommierten Analysten um zu merken dass sich die Nutzung des Internets in Zukunft stetig weiter in Richtung Smartphones verlagern wird.

Müssen Webseiten mittlerweile so designt werden, dass die mobile Nutzung – und nicht die „klassische“ am Computer – im Vordergrund steht?

Es gibt da einen recht neuen Ansatz bei der Erstellung einer Website, der sich „Mobile First“ nennt. Dieses besagt, dass bei der Konzeption einer Website erst die mobile Version entworfen werden sollte, da man bei dieser eher dazu neigt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dieses Vorgehen kann in der Tat sinnvoll sein, vor allem wenn man vorausahnen kann, dass ein nicht unbedeutender Teil der eigenen Besucher die eigene Website vermutlich von unterwegs aufrufen werden. Dennoch sollte man von Projekt zu Projekt schauen, welchen Stellenwert eine mobile Website für den Kunden hat und die Entscheidung ob die mobile Version einer Seite der Desktop Version folgen sollte oder ob vielleicht eher der umgekehrte Weg der richtige ist.

Was man jedoch auf keinen Fall tun sollte ist, eine mobile Website ganz außen vor zu lassen. In den Anfangszeiten des Internets haben es viele Unternehmen bereut die Möglichkeiten des Internets nicht von Beginn an genutzt zu haben, bei der andauernden Entwicklung des Internets vom stationären zum mobilen Medium sollten sollten die Unternehmen aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben und mobil gut aufgestellt sein, bevor auch hier Chancen leichtfertig verschenkt werden.

Stichwort „Touchable Sites for Touchscreen“: Welchen Herausforderungen stehen Sie sich hier gegenüber? Inwiefern beeinflussen Touchable Sites das „klassische“ WWW?

Websites die über einen Touchscreen bedient werden bieten eine Reihe neuer Möglichkeiten was die Interaktion mit der Seite betrifft, haben aber auch eine ganze Reihe neuer Anforderungen an die Usability. So gibt es z.B. keinen „mouseover“ Status mehr, mit welchem dem Benutzer einfach suggierert werden konnte, dass hier bei einem Klick eine Aktion ausgelöst wird. Auch benötigen Links natürlich etwas mehr Platz, damit ein Benutzer beim Bedienen der Seite nicht versehentlich einen falschen auswählt, ein Finger ist eben doch etwas breiter als ein Mauszeiger.

Dafür werden Seiten aber „erlebbarer“. Ein Bildkarussel fühlt sich wesentlich natürlicher an wenn ich durch einen Fingerwisch zum nächsten Bild komme als wenn ich mit der Maus erst einen „Weiter“-Button betätigen muss. Inwiefern dadurch klassische Websites beeinflusst werden lässt sich schwer beurteilen, da jeder eine andere Arbeitsweise hat. Im Optimalfall werden für die Touch-Version einer Seite ohnehin optimierte Stylesheets geladen, so dass ein klassischer WWW-Nutzer erst einmal gar nichts davon mitbekommen sollte, dass sich die Seite auch einfach von Touchscreen-Geräten bedienen lässt.

Was ist Ihre Meinung zu folgender These? „Dank Apps werden Webseiten bald wieder nur noch als Informationsquelle genutzt – um den Part der Benutzer-Interaktion kümmert sich die App dann selbst.“

Da muss ich widersprechen. Das Thema App vs. Web ist ja ein Dauerbrenner und zu komplex um hier intensiv darauf eingehen zu können. Grundsätzlich bin ich der Meinung dass mind. 80% aller Apps in den Appstores ebenso gut oder mit nur ganz wenigen Abstrichen auch ideal als Web App zu realisieren wären. Dank HTML5 sogar mit Offline-Verfügbarkeit und weitestgehend Cross-Device kompatibel. Der Vorteil von Apps ist natürlich die einfach Nutzung von standardisierten Zahlungslösungen durch den Distributionskanal „Appstore“. Hier bietet das Web in der Tat noch Optimierungspotential. Aber die Bereitstellung von Informationen und Benutzer-Interaktion lassen sich sehr einfach auch ohne eigene App kombinieren, dazu muss man sich nur einmal den aktuellen Entwicklungsstand von jQuery Mobile oder Sencha Touch anschauen.

Wie wird sich Mobile Payment weiterentwickeln? Welche (neuen) Hürden sind zu überwinden?

Durch NFC erhält erstmals eine ernst zu nehmende Technologie Einzug in mobile Geräte. Banken, Kreditkartenanbieter und auch Technologieanbieter haben bereits angekündigt sich dem Thema NFC-Payments verstärkt widmen zu wollen. In den kommenden Jahren werden wir nun also wohl endlich unkomplizierte Möglichkeiten erhalten um komfortabel mit dem Smartphone an der Kaufhaus- oder Supermarktkasse bezahlen zu können. Als Hürden die abgebaut werden müssen sehe ich drei konkrete:

  1. Erst einmal muss von technologischer Seite gewährleistet sein, dass Payment-Lösungen möglichst sicher und vor Missbrauch geschützt sind
  2. Sobald dies der Fall ist, müssen entsprechende Lösungen für Händler zu einem attraktiven Preis zugänglich gemacht werden, um eine breite Nutzung zu ermöglichen und Mobile Payment auch für den Endkunden interessant zu machen
  3. Als letzter Schritt müssen die Berührungsängste der Endkunden mit einer derart neuen Zahlungsmöglichkeit abgebaut werden.

Die letzten beiden Punkte setzen natürlich ebenfalls eine möglichst hohe Verbreitung von NFC-fähigen Endgeräten voraus. Andernfalls sehen Händler keine Notwendigkeit Mobile Payment anzubieten und die Endkunden im Umkehrschluss keine Notwendigkeit sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.